"Lockerer als Im Fernsehen"
Wie Alt-Ministerpräsident Kurt Beck auf die teils kritischen Fragen der Maxdorfer Gymnasiasten reagiert
Von Christoph Hämmelmann
MAXDORF. Promi-Talk im Schulfoyer: Die Lehrer des Maxdorfer Gymnasiums wollen von nun an regelmäßig Persönlichkeiten aus Politik, Justiz oder Wirtschaft einladen, damit sie sich den Fragen der Schüler stellen. Beim ersten Durchgang am Dienstagabend hat sich Alt-Ministerpräsident Kurt Beck aufs Podium gesetzt – und sich wacker geschlagen. Das jedenfalls haben ihm seine Interviewer hinterher bescheinigt.
Gerade hat er am Glas genippt, jetzt schiebt er das Wasser von der einen Backe in die andere: Kurt Beck denkt nach. Was er denn machen würde, wenn er Bundeskanzler wäre, hat ihn der Schüler Philipp Saive gefragt. „Jaaa, was soll ich darauf sagen?“, antwortet der Ex-Ministerpräsident schließlich zögernd. „Ich hab’ drei Jahre lang jede Sonntagnacht mit Frau Merkel verbracht.“ Und ins Gelächter der Gymnasiasten hinein ergänzt er: „Nein, nicht so wie manche jetzt denken.“
Knapp anderthalb Stunden lang sitzt der Ex-Ministerpräsident auf dem drei Stufen hohen Podium im Foyer des Maxdorfer Gymnasiums, das noch sehr neu riecht – hinter sich eine fast mannshohe Birkenfeige, neben sich einen weißen Ikea-Beistelltisch der „Lack“-Serie mit Wasserflasche, rotem Traubensaft, Knabberzeug und Schokoladenkeksen, vor sich ein Mikrofon mit gelbem Kabel und um sich gut 100 Schüler aus der Neunten und Zehnten, einige Lehrer, den Vorsitzenden des Elternbeirats.
Mehr Leute durften nicht rein, denn noch ist die Schule nur zum Teil schön neu. Andere Gebäudeteile sind eine Baustelle. Und so untermalen leise Bohrgeräusche aus einer der oberen Etagen Becks pfälzisch gefärbte Worte, bis die Schulleiterin Gudrun Neumann-Kirschstein unauffällig entschwindet, um die Handwerker zu stoppen. Der 29 Jahre alte Sozialkundelehrer Stefan Broscheit – Anzug, Krawatte, Fünf-Tage-Bart – bleibt derweil in der ersten Reihe.
Dort sitzt er bei jenen sechs 15 oder 16 Jahre alten Schülern aus seinem Leistungskurs, die nacheinander aufs Podium steigen, um Beck zu löchern: Neben Philipp Saive sind das Daniel Pohl, Anna Hetzenegger, Paula Ebert, Celina May und Julia Helf. Die Fragen stammen von ihren Mitschülern. Der Kurs hat sie gesammelt, sortiert und gebündelt. Und der Lehrer? „Ich habe aufgepasst, dass es auch höflich bleibt“, sagt Broscheit.
Längst nicht alle Gymnasiasten finden den Ex-Landesvater von vornherein gut. „Da spiegelt sich oft auch die politische Haltung der Eltern“, sagt ihr Lehrer. Und: Manche Schüler sind noch ein bisschen vorschnell, wenn sie mediale Kritik übernehmen. Auf dem Podium spricht Anna den Sozialdemokraten auf sein bisweilen gespanntes Verhältnis zu Journalisten an. „Da erlebt man manchmal dolle Sachen“, sagt Beck.
Als Beispiel führt er die Berichterstattung über den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst an. Sein „engster Freund“ sei der Geistliche wirklich nicht. „Aber was aus dem angeblichen Skandal mit dem Protz-Bischof gemacht worden ist, ist mir auf den Keks gegangen.“ Mittlerweile sei zu lesen, dass die Badewanne in dessen umstrittenem neuen Amtssitz keine 15.000 Euro gekostet habe, sondern doch nur 1500 Euro. „Das ist schon ein Unterschied, oder?“ Trotzdem greifen die Schüler auch auf, wofür Beck selbst kritisiert wird.
Celina spricht ihn auf seinen Beratervertrag mit dem Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim an. Der 64-Jährige nickt kurz mit dem Kopf, schaut konzentriert: „Da ist viel darüber geschrieben worden, und nix davon ist wahr.“ Philipp ist noch ein bisschen mutiger, als es um den Nürburgring geht. „Da sind Fehler gemacht worden“, sagt Beck. Sofort fällt ihm der Schüler ins Wort: „Haben Sie auch welche gemacht?“ Noch ehe er mit der Frage ganz fertig ist, spricht der Politiker unbeirrt weiter: „Die habe ich auch nicht erkannt.“
Wenn es weniger um den Politiker und mehr um den Menschen geht, dann bringt Beck die Schüler auch häufig zum Lachen. Zum Beispiel, als er nach seinem Verhältnis zu Weinfesten im Allgemeinen und zum Dürkheimer Wurstmarkt im Besonderen gefragt wird. Da schiebt ein breites Grinsen Becks Backen ganz nahe an die Ohren. Am Ende werden ihm die Interviewer bescheinigen, dass er ziemlich sympathisch rüberkommt. Lockerer als im Fernsehen. Und so locker, dass ihre eigene Nervosität schnell verfliegt, sobald sie neben ihm auf dem Podium sitzen.
Umgekehrt bringen sie ihn nicht nur zum Nachdenken, wenn sie von ihm wissen wollen, was er als Bundeskanzler machen würde. Als ihn Paula fragt, ob er noch einmal in die Politik gehen würde, da schweigt er wieder eine Weile, zieht die Schultern hoch, wiegt den Kopf. „Ich hab’s mir nicht ausgesucht in diesem Sinne“, antwortet er schließlich. „Ich bin da so reingestolpert, irgendwie. Ich weiß nicht, ob ich es mir bewusst aussuchen würde.“
Quelle:
Die Rheinpfalz - Ludwigshafener Rundschau - Nr. 25
Donnerstag, den 30. Januar 2014 | S. 19 | Autor: Christoph Hämmelmann